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Misburg-Anderten - Zentrum der niedersächsischen Zementindustrie Berichte: Gisbert Selke
1873 wurde das bis dahin weitgehend unbedeutende Dorf Misburg fast über Nacht als Produktionsstätte des neuartigen Portlandzements bekannt. Das in England entwickelte Herstellungsverfahren garantierte eine normierte Qualität, ohne die ein modernes Bauen undenkbar ist. Der dort verwendete Rohstoff hieß Portlandstein, daher der Name Portlandzement. Er löste den bis dahin gebräuchlichen, in der Qualität aber recht unterschiedlichen Romanzement ab, dessen Produktionsweise bereits im römischen Reich entwickelt wurde. Der im Untergrund rund um den Kronsberg reichlich vorhandene Mergel der jüngeren Kreidezeit war als Rohstoff für die Portland-Zementherstellung in Misburg bestens geeignet. Die für den Brennvorgang erforderliche Kohle wurde mit der Eisenbahn angeliefert. Der anfangs in Fässer gefüllte Zement verließ Misburg ebenfalls weitgehend per Schiene. Wer die Karte des Stadtbezirks Misburg-Anderten genauer ansieht, stellt schnell fest, dass in Misburg zwar die Wiege der hiesigen Zementindustrie steht, der größere Teil der Fabrikanlagen und Rohsteinvorkommen aber innerhalb der Gemarkungsgrenzen Andertens zu finden ist. "Böse Zungen" behaupteten deshalb in früherer Zeit: Misburg hat den Staub, Anderten verdient damit das Geld. Der einzige in Misburg-Anderten heute noch produzierende Betrieb, das Werk Hannover der HeidelbergCement AG (früher Portland Cementfabrik Teutonia), befindet sich in der Gemarkung Anderten.
Zementfabriken - Luftbild 1925 - Blick nach Norden
Hannoversche Portland-Cementfabrik
Portland-Cementfabrik Kronsberg Portland-Cementfabrik Kronsberg
Entwicklung der Zementindustrie in Misburg Seit 1860 wird der Misburg-Anderter Raum durch die Zementindustrie geprägt. Sie bildet das Zentrum der niedersächsischen Zementherstellung. 1873 kauften Friedrich Kuhlemann und Albert Meyerstein in Misburg die nach 1860 gegründete Figgesche Kalkbrennerei nördlich der bereits 1846 in Betrieb genommenen Eisenbahnstrecke Hannover-Lehrte, um aus dem dort reichlich vorhandenen Mergel Portlandzement zu produzieren. 1877 begannen sie mit dem Bau der „Hannoversche Portland Cementfabrik“ (HPC). Anfänglich wurden ungefähr 5000 Tonnen pro Jahr produziert. Die HPC wurde auch „Alte Fabrik“ genannt. Da Zement im aufstrebenden Deutschen Reich für die Entwicklung der Industrie und des Wohnungsbaues ein wichtiger Rohstoff war, wurden nacheinander vier weitere Zementfabriken gegründet. Für die Produktion warb man mehrere Tausende Arbeiter aus den Ostprovinzen des Deutschen Reiches an, viele davon polnischer Nationalität. Misburg hatte sein erstes Gastarbeiterproblem. Für die Familien musste Wohnraum geschaffen werden. Die evangelische St. Johanniskirche (1904) und die katholische Herz-Jesu-Kirche (1905) wurden errichtet und mit der Evangelischen Schule (1902) und der katholischen Schule (1907) neuer Schulraum geschaffen, um die Kinder des schnell gewachsenen Ortes unterrichten zu können. Nach 1895 entstand um die Herz-Jesu-Kirche in Misburg-Süd herum eine Arbeitersiedlung, im Volksmund „Jerusalem“ genannt, Gründungsjahre der Zementwerke: 1873 Hannoversche Portland-Cementfabrik 1881 Portland-Cementfabrik Germania 1889 Portland-Cementfabrik Kronsberg (1904 Übernahme durch die Norddeutsche Portland-Cementfabriken) 1897 Teutonia Portland-Cementwerk 1898 Norddeutsche Portland-Cementfabriken Im Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) wurde die Zementindustrie weitgehend zerstört. Nur die Werke Hannoversche Portland-Cementfabrik (HPC), Portland-Cementfabrik Germania und Teutonia Portland-Cementwerk wurden wieder aufgebaut. 1976 wurde die Germania stillgelegt, 1988 folgte die HPC. Heute liefert nur noch die HeidelbergCement, Werk Hannover (früher Portland Cementfabrik Teutonia) den nach wie vor unverzichtbaren Baustoff. Ein weiteres Zementwerk (Holcim) produziert im benachbarten Höver.
Zementindustrie im Raume Misburg-Anderten um 1930
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